Atia Janssens

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Anerkennung und Ausgrenzung – Teil 1

01.20.2014 by Atia // Leave a Comment

discrimination-60512_1920So Leute, dieses Mal habe ich mich um ein paar Tage verspätet, weil ich mich nicht für ein Thema entscheiden konnte! Sorry. Letztendlich bin ich bei dem neuen Buch hängen geblieben, das ich gerade lese. Es heißt Anerkennung und Ausgrenzung: Deutschland als multikulturelle Gesellschaft und ist von Birgit Rommelspracher. Es geht darin um Konflikte zwischen Kulturen, Fremdheitskonstruktionen, Rassismus und auch die Historie dieser Themen. Das alles wird anhand von Beispielen aus Deutschland bzw. Europa dargestellt und am Ende werden auch Lösungsvorschläge für diese Probleme skizziert (darauf bin ich gespannt!)

Gestoßen bin ich auf dieses Buch über die Kopftuchdebatte, es gab diesbezüglich eine Diskussion darüber ob das Kopftuchverbot für Lehrerinnen an Schulen darin bedingt sein könnte, dass die „weiße Oberschicht“ den Migranten keinen gleichwertigen Status anerkennen möchte. Ich fand die Theorie so interessant, dass ich mir aus den Quellenangaben gleich das Buch rausgesucht und mir gekauft habe. Bisher habe ich die ersten zwei Kapitel gelesen und bin sehr froh über diesen Kauf. Ich möchte also in einer kleinen Serie meine Gedanken zu den Theorien aus diesem Buch niederschreiben.

 

I. Selbst und Fremdbilder

1. Fremdheit und Machtinteressen – Einführung und Grenzziehungen

In diesem ersten Kapitel wird erklärt was wir als fremd empfinden und wie wir uns selbst definieren.

Hier erklärt sie unsere Beschreibung des Fremden aus der Psychoanalyse von Freud her. Aus dem Studium kann ich mich noch daran erinnern und als ich diese Stelle gelesen habe ist bei mir gleich ein Licht aufgegangen. Erklärt wird hier, dass wir uns dadurch definieren, was wir nicht sind. Ich bin nicht zurückgeblieben, ich bin nicht barbarisch, ich bin nicht dumm – d.h. im Rückschluss, dass ich fortschrittlich, zivilisiert und klug bin. Der Fremde wird also als Projektionsfläche für die eigene Kehrseite gemacht. Er ist quasi mein „böser Zwilling“. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass die Kehrseite immer nur negative Eigenschaften hat und das Selbst immer nur positive  auch wenn das mit der Realität nichts zu tun hat. So möchten wir uns eben gerne sehen, so verstehen wir uns selbst.

 

Mein böser Zwilling

Interessant an dieser Theorie ist jedoch, dass Frau Rommelspracher es nicht hierbei belässt, sondern hinzufügt, dass dieser Projektion auch  die Beziehung zu dieser Person hinzugerechnet werden muss. D.h. mein böser Zwilling ist nur mein genaues Gegenteil, sondern sein Bild wird auch dadurch gefärbt wie unsere Beziehung zueinander ist, in welche Hierarchie wir zueinander stehen.

Dieses Bild vom Fremden wird dadurch zum Feindbild wenn wir die Grenzen immer stärker ziehen und immer mehr versuchen uns von dieser Person zu distanzieren.

 

Fremdheit lernen

Aber wie lernen wir was fremd ist? Denn am Beispiel von kleinen Kindern sehen wir, dass uns dieses Wissen nicht angeboren ist. Sehr junge Kinder unterscheiden nicht zwischen Menschen anhand ihrer körperlichen Verfassung, ihres Aussehens, ihrer Sprache oder ihres Verhaltens. Sie haben andere Maßstäbe. Sie lernen erst später Fremde zu erkennen und vor allem wie sie mit ihnen umgehen müssen. Sie lernen mit dem Erwachsenwerden was fremd ist, wovor sie sich fürchten müssen oder worauf sie sich einlassen dürfen. So würden Kinder aus der Mittelschicht erkennen, dass sie anders als Obdachlose oder reiche Kinder seien und halten sich von beiden fern bzw. begegnen ihnen mit Vorsicht und Scheu. Was auch interessant im Buch dargelegt wird ist, wie man sich dem fremd werden kann, was einem zuvor fremd war, z.B. die eigenen Eltern.

Faszinierend fand ich das Beispiel einer US amerikanischen Studie über das Verhältnis von Weißen und Schwarzen. Darin wird die Entwicklung von weißen Kindern im Bezug auf ihre Beziehung zu Schwarzen erforscht. Weiße Frauen in Amerika beispielsweise würden durch die soziale Umwelt darauf getrimmt den Schwarzen zu misstrauen und sie mit negativen Gefühlen in Verbindung zu bringen. Sie erinnern sich dabei an keine positive schwarze Person aus Ihrer Kindheit, wie beispielsweise Kindermädchen. Das wird als Beispiel dafür angesehen, dass die Person hinter dem Stereotyp zurücktritt und die reale Beziehung zu ihr vergessen wird. Rommelspracher nennt dies De-Familialisierung, also Entfremdung.

Zusammenfassend wird also alles Positive aus der Beziehung zum Anderen genommen und er zusätzlich mit negativen, stereotypen Bildern gezeichnet. Das geschieht so gründlich, dass es den Menschen natürlich vorkommt die Anderen als genau das anzusehen – anders, fremd, bedrohlich.

 

Macht und Rassismus

Sehr aufschlussreich war, dass Rommelspracher erklärt warum diese Stereotypen gepflegt werden, sogar von Median, Wissenschaft und der Gesellschaft gefüttert und aufrecht erhalten werden. Damit werden Klassen gebildet, Arbeiterklassen und Aufsteigerklassen. Denn es werden immer Arbeiter gebraucht, doch durch die Befreiung der Menschen aus der Monarchie gibt es keinen Zwang mehr dazu gewissen Klassen anzugehören. Jeder hat die Freiheit aufzusteigen. Doch wenn jeder aufsteigt, wer verrichtet dann die notwendigen, „niederen“ Aufgaben? Deshalb wurde schon während des Kolonialismus eine „natürliche“ Ordnung etabliert. Eine Klassenordnung, die die Kolonialisierten als niedere, oder sogar nicht-Menschen darstellte. Diese Mentalität, die sich alltäglich im „Hilfgedanken“ der Menschen niederschlägt („ich helfe dir, denn du kannst dir ja selbst nicht helfen“ Eine Art „white mans burden“), hält sich bis heute hartnäckig in den Köpfen der Menschen. Und zwar nicht weil sie es nicht besser wissen, sondern weil sie dazu erzogen werden, so zu denken.

Dabei erklärte Rommelspracher ein Erlebnis, das ich mir selbst bisher nie erklären konnte. Mir fremde Menschen, die mich ansprachen und fragten woher ich kommen. Antwortete ich ihnen, das meine Eltern aus Pakistan stammten so fragten sie nicht weiter nach und wandten sich zufrieden ab, als wäre das alles was sie je wissen von mir wissen wollten. Antwortete ich, ich sei Mannheimerin wurde so lange nachgefragt bis ich die gewünschte Antwort gab und wieder wurde ich ignoriert. Rommelspracher erklärt dies als „Identifikationsritual“, die Menschen wollen nur die Bestätigung, dass diese Person, die fremd aussieht, auch fremd ist.

Durch diese Rituale werden wieder und wieder Grenzen gezogen und die Fremden auf der anderen Seite zurückgelassen, wobei man seine eigene Dazugehörigkeit immer wieder bestätigt.

Ich beende den ersten Teil dieser Reihe mit einem Zitat aus dem Buch „Fremdheit ist (…) ebenso Antrieb für Entwicklung und Dynamik wie permanente Absciherungs und Abschottungsbemühungen. Dabei bekommen dieAbschottungsbemühungen ein besonderes Gewicht, wenn sie mit Machtinteressen verknüpft sind.“

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Das Bildmaterial stammt von pixabay.com und ist urheberrechtliches Material der Künstler Wikilmages und LoboStudioHamburg

Categories // Beziehungen, Geschichten, Migration

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